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Ferienstress zum Schulanfang

(Geschichte für das Mitteilungsblatt Gemeinde Kernenried September/Oktober 2023)

Die langen Sommerferien neigen sich dem Ende zu. Nur noch eine Woche und für die Kinder beginnt im neuen Schuljahr eine weitere Reise in die Welt des Lernens und Wissens. Auf den Feldern ist bestellt, was die Natur bis dahin hergab. Die meisten Kinder haben ihr Ferienprogramm hinter sich und gelangen in einen ermüdenden Ferientrott. Bei vielen macht sich Langeweile breit und vereinzelt kommt gereizte Stimmung auf. In diesem stimmungsschwankenden und mit Übermut geladenen Umfeld treffen sich, um das Schulhaus verteilt, die Kinder in Scharen. Da ist es nicht verwunderlich, wenn es zum einen oder anderen Scharmützel und hin und wieder zu einer Träne kommt. So bilden sich nach und nach Gruppen, welche sich erst um das Schulhaus und später über das ganze Dorf verteilen. Ab und zu ereignen sich auch rivalisierende Aktionen unter den Gruppen. So wird der Aufenthaltsort der einen Gruppe, unter einer alten und riesigen Linde die schützenden Schatten spendet, eines Morgens mit Gülle besprüht. Einer anderen Gruppe, welche auf einer gemähten Wiese einen Pool zum Baden aufgebaut hat, wird das Wasser abgelassen. Und so weiter.

 

 

 

Ein Senior im Dorf, welcher das aufbauschende Treiben beobachtet, will dem Entgleiten dieser Machenschaften entgegenwirken. Eines späten Vormittags trommelt er, zusammen mit einigen Jugendlichen, gut zwei Duzend Kinder beim Schulhaus zusammen. Er motiviert die Kinder, einen Spielwettkampf zu organisieren. Dabei sollen sich vier Gruppen bilden. Jede Gruppe würde durch ein bis zwei Erwachsene, vornehmlich pensionierte Frauen oder Männer, zur Unterstützung verstärkt. Die Idee stösst bei den Kindern auf grosse Begeisterung. Die Gruppen werden über das Los zusammengestellt, wobei darauf geachtet wird, dass in jeder Gruppe die Altersverteilung ungefähr gleichmässig ist. Jede Gruppe muss sich einen Namen und ein Motto zulegen. So entstehen die «Apache Indianer», die «Ämmitaler Buuregofe», die «Dampfschiff Matrosen» und schliesslich die «Waldgespenster». Damit nimmt die Dynamik seinen Lauf. Jede Gruppe muss während drei Tagen ein Wettkampfposten erstellen, für welchen die Gruppen auch Vorbereitungen treffen muss. Am vierten Tag, am Samstag, wird dann der Wettkampf unter Publikum bestritten.

 

 

Ohne dass die Kinder dazu aufgefordert wurden, erstellen alle Gruppen sehr rasch ein Maskottchen. Die Indianer verzieren einen dicken Haselstab mit allerlei Motiven und symbolischen Zeichen sowie schmücken diesen mit Federn und farbigen Bändern. Die Buuregofe verpassen einem Berner Sennenhund aus Plüsch eine Berner Puppentracht und binden ihm an einer Pfote eine kleine hölzerne Heugabel fest. Die Matrosen nehmen sich ebenfalls ein Plüschtier zu Nutzen. Nämlich einen aus Stoff genähten Pinguin, welchem sie zusätzlich eine blauweisse Matrosenmütze verpassen sowie einen bunten Schwimmring um den Bauch basteln. Die Gespenster verkleiden einen langen Stock mit einem Leinentuch zu einem grossen Gespenst, ähnlich einer Vogelscheuche. Dieses weisse und flattrige Geschöpf verzieren sie mit allerlei kleinen Gegenständen.

 

 

Bis am Nachmittag des ersten Tages, ist denn auch ausgehandelt, welche Disziplinen zu bestreiten sind. Beim ersten Wettkampf muss eine Strecke von 4-5km im breiten Dorfbach mit einem schwimmenden Gerät absolviert werden. Vor verschiedenen Brücken an festgelegten Orten muss das Gerät ausgewassert und nach der Brücke wieder eingewässert werden. Das Gerät oder auch mehrere Schwimmeinrichtungen müssen die gesamte Gruppe transportieren.

 

 

Bei der zweiten Disziplin muss jede Gruppe eine treffsichere Schiessvorrichtung selbständig erstellen, mit welcher Büchsen aus unterschiedlichen Positionen und mit unterschiedlichen Distanzen von 2 Metern bis 20 Metern getroffen werden sollen.

 

Für die nächste Herausforderung muss ebenfalls nach Marke Eigenbau eine Seifenkiste hergestellt werden, mit welcher ein etwas steilerer Strassenabschnitt in Bestzeit bezwungen werden muss. Dabei kann die Seifenkiste eine bis zwei Personen transportieren, womit 6 Fahrten pro Gruppe in Bestzeit zu absolvieren sind.

 

 

Last but not least, muss jede Gruppe einen riesigen Drachen kreieren. Der Drachen muss mindestens drei Meter lang sein. Bei ungenügenden Windverhältnissen soll der Drachen mit dem Fahrrad in die Lüfte gebracht werden. Hierbei geht es darum, wer den Drachen am längsten in der Luft halten kann. Dafür stehen 3 Versuche zur Verfügung.

 

 

Die Kinder von klein bis gross sind nicht mehr zu halten. Von morgens früh bis abends spät arbeiten sie mit Unterstützung von rund zehn Erwachsenen leidenschaftlich an ihren Projekten. Und schon bald ist der grosse Tag gekommen. Da es am Morgen stärkeren Wind hat, wird beschlossen als erstes im grossen Moos die Drachen fliegen zu lassen. Ein prächtiges Bild mit vier riesigen und kreativ gestalteten Drachen zeigt sich dort und begeistert die vielen Zuschauer, welche dem Spektakel beiwohnen. Der eine oder andere Drachen erleidet dabei auch einen Absturz und wird beschädigt. Aber sämtliche Drachen sind in der Lage mehrmals über mehrere Minuten in der Luft ihren Tanz abzuhalten.

 

 

In der zweiten Hälfte des Morgens wird zum Schützenfest gerufen. Allerlei Schiessvorrichtungen von Armbrüsten, Pfeilbogen, Steinschleudern, Katapulten bis zu neuartigen Wurfkörpern werden mit viel Fantasie gebastelt und in den Wettkampf geschickt. Die einen sind auch auf grosse Distanzen sehr treffsicher und die anderen dienen wohl eher zur Unterhaltung und bringen die Gesellschaft zum Lachen.

 

 

Über den Mittag können sich alle im Schopf eines Bauernhauses mit Wurst, Brot und Salaten verpflegen und für den Nachmittag stärken. Die beteiligten Frauen und Männer der Senioren sowie einige Eltern haben einen beachtlichen Festbetrieb auf die Beine gestellt.

 

 

Am Nachmittag geht es dann mit neuer Energie und gut gelaunt oben an den Stutz, wo bereits alle Gefährte für ihre Rennfahrt bereitstehen. Vom umgebauten Kinderwagen, Holzschlitten mit Rädern bis zu zusammengeschweissten Dreirädern ist hier alles zu finden. Alle Kinder müssen für die Fahrt einen Helm und Handschuhe tragen. Für das Rennen ist ein enger Slalom durch Strohballen zu bestehen. Es ist also nicht nur Geschwindigkeit, sondern vielmehr Geschick gefragt.

 

 

Unmittelbar nach diesen beeindruckenden Fahrten, wobei den Strapazen nicht jedes Fahrzeug bis am Schluss gewachsen ist, geht es zur Abkühlung zum nassen und letzten Wettkampf. An der breitesten Stelle des Baches werden alle Schwimmgeräte zu Wasser gelassen. Zu sehen sind hier verschiedene Varianten von Flössen und eigene Kreationen von Kanus oder Booten. Mit einem eindrücklichen Massenstart, bei dem bereits mindestens die Hälfte der Kinder nass wird, beginnt der letzte Wettkampf. Das jeweilige Aus- und Einwässern bei den Brücken, ist ein Schauspiel für sich. Am Ende sind alle irgendwie an das Ziel gekommen. Trocken bleiben dabei weder die Kinder noch die Zuschauer. Die Kinder werden im Wasser nass und die Zuschauer, weil sie bis zu den Tränen lachen müssen.

 

So löst sich die angespannte Stimmung in der letzten Woche der Sommerferien mit viel Geselligkeit in ein Freudenfest auf. Noch lange schwärmen die Kinder von diesem Ferienabschluss. Aber auch die helfenden Erwachsenen sowie die vielen Zuschauer sprechen noch lange von dem spontanen Ferienereignis.

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