Pfludi im Haar

(Editorial Mitteilungsblatt November 2019)

 

Müde zu so früher Stunde und immer noch etwas steif, räkelt sich „Chappi Bidu“ auf dem harten und kalten Holzstuhl hin und her. Es fällt ihm schwer sich auf die mystisch klingenden Worte von Lehrer Moser zu konzentrieren. Immer wieder versinkt er gedanklich in einer unwirklichen Welt, betrachtet dabei zum Fenster hinaus die in der noch herrschenden Dunkelheit wie Schatten wirkenden Bäume und rotiert sein rotes Holzbleistift zwischen seinen Zähnen hin und her. Er bemerkt nicht, wie ihn Lehrer Moser beim Namen ruft. Erst als ihn das „Bode Gritli“ von hinten mit dem Lineal stupst und er wieder in unsere Welt zurückkehrt, realisiert „Chappi Bidu“ die mittlerweile gehässigen Rufe des Paukers. „Würde wohl der werte Herr Beat vom Chappeli“ auch am Unterricht teilnehmen oder hat er wohl etwas Besseres zu tun“, moniert der gross gewachsene junge Lehrer, welcher erst seit ein paar Tagen an der Schule unterrichtet. „Chappi Bidu“ wohl noch etwas schlaftrunken erwidert spontan und ohne zu überlegen, „Ein fremder Kerl und nicht viel älter als ich, hat mir nichts zu befehlen“. Mit lautem Gelächter unterstützt ihn der neben ihm sitzende „Löie Bäschtu“ mit den waghalsigen Worten, „wahre Worte spricht der Herr Fritz vom Chappeli“. Noch bevor die ganze Klasse in tobendes Lachen überschwappt, ist der sportliche Lehrer mit ein zwei gekonnten Sprüngen bei den beiden Jungspunden, zieht sie am „Grännihaar“ von den Stühlen hoch und zerrt sie so bis zum buchenholzigen Lehrerpult hervor.

 

Die beiden Lümmel sind nun mehr als wach und sich bis auf die nasse Unterwäsche reuig, als sie draussen bei feucht kaltem Wetter dem Schulhausabwart helfen. Sie müssen als Strafe einen Graben von der Strasse bis zum Neubau des Kindergartens pickeln und schaufeln, um dann dort später Strom- und Wasserleitungen verlegen zu können. Nachdem sich der Abwart von den beiden Jünglingen für ungefähr eine Stunde verabschiedet hat, lassen sie die Arbeit ruhen und kommen auf eine verwegene Idee. Sie hohlen im Schopf hinter dem Schulhaus vier Gemüseharassen und werfen die darin aufbewahrten Bälle auf den Boden, wo sie nun kreuz und quer verteilt herumliegen. Bei den Harassen entfernen sie den Boden und öffnen eine Ecke des übriggebliebenen Holzrahmens. Anschliessend mischen die beiden Lausbuben in einer Karette Zement, Sand und Wasser. Mit dem Rahmen und dem frischen Zement marschieren die beiden zu einem kleinen VW Käfer, welcher neben dem Schulhaus auf dem Parkplatz steht. Mit den Holzrahmen umfassen sie die vier Räder und füllen das Ganze anschliessend mit dem frischen Zement, in der Absicht das spätere Wegfahren zu verhindern. Sie wollen gerade wieder zu ihrer Arbeit beim Graben gehen, als plötzlich Frau Stirnemann aus dem Schulhaus kommt. Ebenfalls eine neue Lehrerin an der Schule und Besitzerin des vierrädrigen Käfers. Sie beabsichtigt ein buntes und modernes Geschichtenbuch aus dem Auto zu holen, aus dem sie ihren Dritt- und Viertklässlern vorlesen will. Sofort entdeckt sie die merkwürdigen Verbauungen an ihren Rädern und realisiert geistesgegenwärtig, dass sie handeln muss bevor der Zement trocken ist. Inzwischen haben sich die beiden Schlawiner hinter einem Strauch am Heck des Autos versteckt, um dem Geschehen beizuwohnen. Das Lachen und die Freude über ihre Tat hat sie beinahe zerrissen. Mit Vollgas schlüpfen die Räder des Käfers aus den zum Glück nur angetrockneten Zementbädern. Die „pflotschige“ Zementmasse wird von den kurz durchdrehenden Rädern nach hinten geschleudert und paniert die beiden Jungs hinter dem Busch von oben bis unten. Frau Stirnemann hat die zwei übermütigen und völlig verschmutzten Kerle im Rückspiegel entdeckt und musste im Hinblick darauf, dass sie die Situation noch rechtzeitig retten konnte, lachen.

 

Nicht mehr um’s Lachen war es den beiden Vandalen. Wie erklären sie zuhause die schmutzigen Kleider, aus welchen der Zement nicht mehr rauszubringen sein wird? Was würde nun mit den beiden geschehen und welche Konsequenzen würde dies in der Schule und zuhause haben?

 

Den Rest des Morgens bis in den Nachmittag hinein waren der „Chappi Bidu“ und der „Löie Bäschtu“ damit beschäftigt, das Auto und den Schulhausplatz vom Zement zu befreien. Über Mittag durften die beiden nicht nachhause und mussten als Schmutzfinken am Nachmittag, nach getaner Arbeit, gleich wieder in die Schulklasse.

 

Wieder in der Klasse, ging es gerade darum wie die diesjährige Schulreise finanziert werden soll. Viele Ideen wie Blumen- und Bastelmarkt, Arbeiten bei Bauern oder in Haushalten, ein Sing- und Musikkonzert und Begleitung von Senioren wurden vorgebracht, um das Geld zusammenzubringen. Für die beiden nach Zement riechenden Energiebündel hatte Lehrer Moser eine besondere Aufgabe übrig. Sie dürfen wohl die nächsten drei bis vier Mittwochnachmittage und Samstagmorgen die Feuerwehrweiher auspumpen und reinigen. Eine üble und dreckige Arbeit. Dafür erhält die Klasse dann einen beachtlichen Zustupf für die erste zweitägige Schulreise, welche an der Schule durchgeführt wird.

Den Respekt hat sich Lehrer Moser bei „Chappi Bidu“ und „Löie Bäschtu“ bis über ihre Schulzeit hinaus erlangt, auch wenn sie immer etwas vorwitzig geblieben sind.

 

 

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